Hinweis

Diese Website wurde am 28. November 2017 archiviert. Neues Online-Angebot: Evangelische Kirche in Frankfurt.

Aktuell

Von – 17. September 2012

„Ähnliche Fragen – andere Antworten“

Was bedeutet die multireligiöse Gesellschaft für die großen christlichen Kirchen? Ein Gespräch mit Gabriele Scherle und Joachim Valentin. Teil 2: Im Dialog das Eigene finden und schätzen lernen – zum Beispiel die Trinität.

Gabriele Scherle, Pröpstin für Rhein-Main, und Joachim Valentin, der Leiter des Hauses am Dom, im Gespräch mit „Evangelisches Frankfurt“. Foto: Rolf Oeser

Wie wirkt sich der Dialog mit anderen Religionen auf den eigenen Glauben aus?

Scherle: Es könnte schon sein, dass der Dialog alle Beteiligten irgendwie orthodoxer macht, also tiefer in die eigene Wahrheit führt. Vielleicht hängt das damit zusammen, dass man sich klarer positionieren muss. Ich zum Beispiel habe noch nie eine so dezidierte Haltung zur Trinität entwickelt wie im Gespräch mit den Muslimen. Also, ich finde unser Verständnis vom trinitarischen Gott unverzichtbar.

Valentin: Das würde ich genau so unterzeichnen.

Was ist denn so toll an der Trinität? Der Glaube an einen dreifaltigen Gott gilt ja im Judentum und im Islam als eine Aufweichung des Monotheismus.

Scherle: Ich will es ganz persönlich sagen: Für mich ist das Geniale an der Trinitätslehre, dass sie zum Ausdruck bringt, dass wir an einen Gott glauben, der uns unterschiedlich begegnet. Der biblische Gott legt sich fest: Ohne seine Schöpfung, ohne die Menschen kann und will er nicht Gott sein. Und dieser eine Gott begegnet uns auf ganz verschiedene Weisen. Gott macht sich als Person ansprechbar, als Vater, Sohn und Heiliger Geist. Diese Selbstunterscheidung Gottes, durch die Gott zugänglich, aber nicht erschöpfend begriffen wird, sie ist für einen modernen Menschen etwas unglaublich Hilfreiches. Als von Gott angesprochene Menschen verdanken wir unsere Personalität nicht der eigenen Anstrengung und der Festlegung auf bestimmte Vorstellungen vom Menschsein.

Valentin: Für mich ist besonders entscheidend, dass Gott in sich Dialog und Liebe ist, und das nur deshalb auch nach außen geben kann und will. Der andere Punkt ist die Inkarnation. Die Frage, wie der Kontakt zwischen einem streng monotheistisch gedachten Gott und der materiellen Welt herstellt wird, stellt sich in allen monotheistischen Religionen. Im Islam gibt es den Koran, im Judentum die Kabbala. Und da ist das Inkarnationsmodell, das wir im Christentum haben, keineswegs die schlechteste Lösung. Im Gegenteil: Weil Gott so Mensch wird, wie der Mensch in der höchsten Summe seiner Möglichkeiten sein kann, also als komplett sich Hingebender und Liebender. Auf diese Weise kann Gott sich den Menschen als „die Liebe“ verständlich machen. Und wenn ich das jetzt mal ganz undialogisch sagen darf: Da ist ein Buch doch etwas eher Trockenes im Vergleich zu einer Person wie Jesus Christus. Aber auf diese Dinge kommt man nur, wenn man die anderen Religionen überhaupt erst einmal versteht und merkt: Aha, dort gibt es ähnliche Fragen, aber andere Antworten.

Teil 1Teil 2Teil 3Teil 4Teil 5Gesamtes Interview

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 17. September 2012 in der Rubrik Gott & Glauben, Menschen, erschienen in der Ausgabe .

Artikel teilen: E-Mail Facebook Twitter Google+

Dr. Antje Schrupp ist geschäftsführende Redakteurin von Evangelisches Frankfurt. Die Journalistin und Politikwissenschaftlerin bloggt auch unter www.antjeschrupp.com.