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Welchen Stellenwert hat Sexualität, und warum muss sie aus christlicher Sicht reglementiert werden?

Vor 500 Jahren hat sich das Christentum in Europa heillos zerstritten. Warum eigentlich? In unserer fünfteiligen Serie erläutern der evangelische und der katholische Stadtdekan von Frankfurt die zentralen Standpunkte ihrer jeweiligen Konfession.

Im Paradies waren die Menschen nackt und frei. Erst nachdem sie vom Baum der Erkenntnis gegessen hatten, schämten sie sich voreinander und verdeckten ihre Genitalien. Der biblische Mythos von Adam und Eva inspiriert bis heute Philosophinnen und Künstler. Illustration: Friederike Luise Mentz

Achim Knecht, evangelischer Stadtdekan von Frankfurt

Achim Knecht ist evangelischer Stadtdekan von Frankfurt. Foto: Rolf Oeser

Sexualität ist ein Geschenk Gottes, das Intimität und heilsame Nähe zu anderen Menschen ermöglicht. Sie soll in Liebe eingebettet sein und lässt Menschen intensives Glück und Lust erleben. Sexualität dient nicht nur der Fortpflanzung. Die evangelische Kirche sieht deshalb kein Problem darin, wenn Paare Verhütungsmittel anwenden. Auch in der Liebe zwischen zwei Männern oder zwei Frauen hat Sexualität ihren berechtigten Platz. Wie in anderen Lebensbereichen braucht es für die Sexualität Regeln, damit Menschen sich nicht gegenseitig verletzen und kränken. Diese zielen darauf, dem Partner, der Partnerin mit Respekt zu begegnen und das Zusammenleben in der Familie als verlässliche Lebensgemeinschaft zu schützen, in der Kinder geborgen aufwachsen können. Das schließt auch andere Familienformen als die traditionelle ein: Familie ist, wo Menschen dauerhaft Verantwortung füreinander übernehmen. Im Idealfall ist eine Ehe unauflöslich, aber das Leben spielt oft anders. Deshalb akzeptieren wir es, wenn auch schmerzlich, wenn Ehen scheitern, und trauen auch Geschiedene. Es wäre unbarmherzig, an dem Ideal der Unauflöslichkeit auch dann festzuhalten, wenn zwei Menschen sich bei ihrem Zusammenleben nur noch verletzen und nicht mehr zurück zur Liebe finden können. In der Vorstellung von der Unauflöslichkeit der Ehe steckt aber ein wichtiger Impuls: Der andere Mensch ist kein Gebrauchsgegenstand, dessen man sich nach Gutdünken entledigen darf. Die evangelische Kirche erwartet von ihren Geistlichen keinen Verzicht auf Sexualität, da der Zölibat kein biblisch begründbares Gebot ist. Partnerschaft und Sexualität gehören auch zum Leben der Pfarrerinnen und Pfarrer, so wie der ehemalige Mönch Martin Luther seine Ehe mit der ehemaligen Nonne Katharina von Bora genossen hat. Unsere Landeskirche akzeptiert heute auch gleichgeschlechtliche Partnerschaften im Pfarramt.

Ausführliches Interview: „Sexualität hat mit Liebe zu tun, nicht nur mit Fortpflanzung“

Johannes zu Eltz, katholischer Stadtdekan von Frankfurt

Johannes zu Eltz ist katholischer Stadtdekan von Frankfurt.

Gläubige und biblisch orientierte Menschen können Sexualität dankbar annehmen als ein großes Geschenk des Schöpfers. Für Christen ist ein liebevoller, achtsamer, unbefangener, aber nicht naiver Umgang mit Sexualität angemessen. Sie hat auch eine dunkle Seite und kann Unfreiheit und Missbrauch im Schlepptau haben. Die uralte Vorstellung, dass Sex den Menschen befleckt, ist nicht christlich. Zunächst hat die Kirche sich von solchen Gedanken fernhalten können, aber dann hat sich der archaische Reinheitszwang bei uns eingeschlichen; Augustinus spielt da eine große Rolle. Der obligatorische Zölibat ist nur vor diesem Hintergrund verständlich. Da gilt aber auch für Katholiken: Zur Freiheit hat uns Christus befreit! In katholischer Sicht ist Sexualität, die sich in verlässlicher Partnerschaft und offen für die Zeugung von Kindern entfalten soll, normalerweise gegengeschlechtlich. Das „normalerweise“ schließt ein, dass es Ausnahmen gibt, aber eben im Verhältnis von Regelfall und Sonderfall. Dafür ist moderner Diskurs unheimlich empfindlich geworden, weil wir gemerkt haben, was für ein Gewaltpotenzial in der Definition von Normalität liegt. Da ist viel Klugheit erforderlich. Wenn jetzt aber alles gleich gültig und gleichgültig gemacht werden soll, davon halte ich nichts. Das ist latent aggressiv und wird die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen über Sexualität nicht befrieden können. Beim Thema Sexualität ist die Karawane der westlichen Moderne längst an der katholischen Kirche vorbei gezogen. Ich bin aber überzeugt davon, dass wir mit unserer zentralen Intuition richtig liegen: Liebe, Sexualität und Fortpflanzung gehören zusammen. Das ist eine komplexe und verletzliche Verbindung. Sie ist nicht einfach naturgegeben; da ist auch viel kulturelle Konstruktion dabei. Das muss kritisch geprüft und weiterentwickelt werden. Aber der Ansatz, dem diese Lehre folgt, ist menschen- und lebensfreundliche Weisheit.

Ausführliches Interview: „Liebe, Sexualität und Fruchtbarkeit gehören zusammen“

Artikelinformationen

Beitrag von , , veröffentlicht am 25. September 2017 in der Rubrik Gott & Glauben, erschienen in der Ausgabe .

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Pfarrer Dr. Achim Knecht ist seit 2014 evangelischer Stadtdekan von Frankfurt.