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Von , – 31. Juli 2017

Kommt Gott in die hessische Verfassung?

Die hessischen Landtags-Parteien diskutieren zurzeit über eine Reform der Präambel in Hessen: Kirchen und CDU wollen sich dort auf Gott beziehen. Linke und FDP sind dagegen, SPD und Grüne noch unentschieden.

„Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen“: So beginnt die Präambel des Grundgesetzes, doch in der hessischen Landesverfassung fehlt ein solcher Gottesbezug. Die CDU sowie die beiden großen christlichen Kirchen im Lande wollen das ändern und dazu die ohnehin anstehende Verfassungsreform nutzen.

FDP und Linke lehnen die Aufnahme eines Gottesbezugs in die Präambel der hessischen Verfassung allerdings dezidiert ab, SPD und Grüne haben sich noch nicht entschieden, sind aber zumindest zögerlich. Bei der Verabschiedung der Landesverfassung im Jahr 1946 wurde die Präambel ganz kurz gefasst. „In der Überzeugung, dass Deutschland nur als demokratisches Gemeinwesen eine Gegenwart und Zukunft haben kann, hat sich Hessen als Gliedstaat der deutschen Republik diese Verfassung gegeben“, heißt es lediglich. Ob an dieser Präambel überhaupt etwas geändert werden soll, ist in der vom Hessischen Landtag eingesetzten Enquetekommission umstritten.

Klar ist nur, dass die Verfassung insgesamt als reformbedürftig gilt. Enthält sie doch noch immer Bestimmungen, die im Widerspruch zum Grundgesetz stehen und damit rechtlich überhaupt keinen Bestand haben. Das gilt vor allem für Artikel 21 über strafrechtlich Verurteilte, der nach wie vor mit dem Satz endet: „Bei besonders schweren Verbrechen kann er zum Tode verurteilt werden.“ Da im Grundgesetz genau das Gegenteil steht, muss das zwar in Wahrheit auch in Hessen kein Angeklagter befürchten. Doch sind sich die Parteien darüber einig, den überholten Artikel endlich zu streichen.

In vielen anderen Punkten aber sind die Landtagsparteien durchaus unterschiedlicher Ansicht, was sie dem Volk am Tag der nächsten Landtagswahl voraussichtlich Ende 2018 zur Abstimmung vorlegen. Eine solche Volksabstimmung ist bei Verfassungsänderungen in Hessen zwingend vorgeschrieben, und die Parteien streben daher einen möglichst großen Konsens bei der Reform des Paragrafenwerks an. Die evangelische und katholische Kirche stellen ihre Forderung nach Aufnahme eines Gottesbezugs daher auch nur für den Fall, dass auch die Präambel reformiert wird.

Klar auf ihrer Seite haben sie dabei die CDU. Wie im Grundgesetz hat sie die Formulierung vorgeschlagen, „im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen“ habe sich Hessen diese Verfassung gegeben. Dies sei eine Absage an totalitäres Handeln, da mit einem Gottesbezug menschliches Handeln nicht absolut gesetzt werde, begründet der CDU-Obmann im Verfassungskonvent, Christian Heinz. So hatte bei einer Anhörung im Hessischen Landtag auch der Göttinger Rechtsprofessor Christian Starck argumentiert.

Um Bedenken zu begegnen, haben die Vertreter der beiden christlichen Kirchen im Verfassungskonvent, Jörn Dulige von der evangelischen und Wolfgang Pax von der katholischen Kirche, inzwischen einen modifizierten Vorschlag eingebracht. Er greift die Formulierung auf, die vor Jahren der damalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Wolfgang Huber, und der damalige Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, in der Debatte über eine europäische Verfassung gemacht hatten: „In Verantwortung vor Gott und den Menschen sowie in Achtung der Freiheit des Gewissens“.

Ein solcher Gottesbezug würde nach Ansicht von Pax die Grenzen menschlichen und staatlichen Handelns betonen. Auch er sieht darin eine „Absage an alle totalitären Staatsformen“. Da etwa 60 Prozent der Hessen Mitglied einer Kirche sind, sei die Formulierung auch nicht anachronistisch, und außerdem beinhalte sie ja nicht allein ein christliches Gottesverständnis. Der FDP-Politiker Jörg-Uwe Hahn argumentiert dagegen: „Über 70 Jahre haben die Hessen ohne den Gottesbezug in der Verfassung gelebt, ohne dass sich die christlichen Kirchen in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt gefühlt haben.“ Und für Ulrich Wilken von der Linken gilt klipp und klar: „Religion ist Privatsache und hat in der Verfassung nichts verloren.“

Differenzierter sieht das der SPD-Obmann im Verfassungskonvent, Norbert Schmitt. „Wir nehmen das Anliegen der Kirchen sehr ernst“, sagt er, allerdings sei der Gottesbezug auch das Thema, das bei den Bürgerforen zur Verfassungsänderung und in Schreiben an die Fraktionen am kontroversesten diskutiert werde. Wie der SPD-Mann betont auch die Grünen-Abgeordnete Karin Müller, dass in ihrer Partei die Meinungsbildung zu diesem Thema noch nicht abgeschlossen ist. „Es gibt christliche und säkulare Grüne“, sagt sie, doch die Fraktion neige dazu, gar keine Änderung an der Verfassungspräambel vorzunehmen.

Bis zum Jahresende soll eine Vorentscheidung fallen, damit der Gesamtvorschlag zur Verfassungsänderung rechtzeitig vor der Volksabstimmung im Herbst 2018 vorliegt. Bislang ist ein Gottesbezug sowohl im Grundgesetz als auch in sieben der 16 deutschen Länderverfassungen enthalten.

Und was meinen Sie dazu? 
Jetzt mal unabhängig von der Parteien-Präferenz gedacht – welche Argumente sind bei dem Thema für Sie entscheidend?

Artikelinformationen

Beitrag von , , veröffentlicht am 31. Juli 2017 in der Rubrik Gott & Glauben, erschienen in der Ausgabe .

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Kommentare zu diesem Artikel

  • d schrieb am 31. Juli 2017

    Die Grünen haben sich bereits für die Beibehaltung der aktuellen Fassung (und damit gegen den Gottesbezug) ausgesprochen

  • Ernst-Günther Krause schrieb am 3. August 2017

    Ein Gottesbezug hat angesichts der Unbeweisbarkeit der Existenz bzw. Nichtexistenz eines Gottes und/oder mehrerer Götter/Gotte in einer Verfassung, die für Menschen aller religiösen und nichtreligiösen Weltanschauungen gelten soll, nichts zu suchen.

  • Friedrich Halfmann schrieb am 5. August 2017

    Angesichts dieser immer wieder mal aufkommenden politischen Anfragen….:

    1. Ich weiß nicht, ob es möglich ist, per Faktencheck zu ermitteln, ob Regierende / Regierungen mit oder ohne einen Gottesbezug in der Präambel ihrer Verfassung eher ins Totalitäre abgerutscht sind.
    Wenn es „mit Gottesbezug“ signifikant seltener gewesen sein sollte, dann könnte man noch mal darüber reden.
    Ich fürchte aber, dass sich Machthabende „aus ihrer Verantwortung vor Gott“ eher dazu ermächtigt gefühlt haben könnten. Mir fallen momentan Polen, Ungarn und die Türkei ein…

    2. Ich halte es für für diese Art von „Gott“ ziemlich entwürdigend und letztlich unzumutbar, sich demokratischen Mehrheiten beugen zu müssen. Also: bei 50,5 % Steuerzahlenden darf er rein in die Verfassung, bei nur 49,5 % muss er raus. Was für einen „Transzendenzbezug“ hat denn dieser „demokratische Gott“ ?

    3. Einen Verweis auf eine Mehrheit von Christen im jeweiligen Verfassungsgebiet irritiert mich: Es wurde doch immer behauptet, dass der „Gott“ der Verfassung eben kein „konfessioneller Gott“ sei, er solle doch für alle und von allen „brauchbar“ sein, selbst noch von Atheisten.

    4. Dass die christlichen Konfessionen sich nicht klar und deutlich gegen jede staatliche „Benutzung“ jener Wirklichkeit, die sie auch „Gott“ nennen, wehren, ist mir, einem Christen, völlig unverständlich. Es gibt genügend Empfehlungen in ihren frühesten Glaubensdokumenten, solchen Instrumentalisierungen strikt zu widersprechen.

    Das sind nur einige der Überlegungen, die von Christen geteilt werden.

    Friedrich Halfmann, 2.Vors.
    Verein zur Umwidmung von Kirchensteuern e.V.
    http://www.kirchensteuern.de

  • Thomas Weitzel schrieb am 1. September 2017

    In einigen Landesverfassungen, sowie im Grundgesetz sind vergleichbare Regelungen enthalten – alle diese Verfassungen sind Ende der 40’er in Kraft getreten, als nahezu 100% der Bevölkerung einer der Kirchen angehörten.
    Seitdem ist der Anteil der konfessionsgebunden Bürger auf weniger als zwei Drittel gefallen, unter dem anderen Drittel dürfte sich auch ein beträchtlicher Anteil dezidiert religionsfreier Menschen befinden.

    Jetzt, nachdem vor über 70 Jahren die hessischen Verfassungsgeber sich bewußt gegen eine religiöse Rückkopplung entschieden haben und angesichts der oben geschilderten schwindenden Religiosität, so einen Anachronismus nachträglich in die Verfassung hieven zu wollen, ist schon mehr als nur skurril.
    Mögen die Gläubigen Gott geben, was ihrer Meinung nach Gott ist – und die staatlichen Gesetze verschonen mit frommen Bekenntnissen.