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Von – 3. August 2016

Daneben benehmen!

Das Wissen um Stressgefahren hat in den letzten Jahrzehnten zugenommen, sagen Forscher. Aber nicht das Wissen, wie man dem praktisch entgegenwirken könne. Die Klage über Zeitnot, Belastungen und Überforderung nimmt eher zu. Georg Magirius hilft ein uralter Weisheitswunsch: nicht immer alles richtig zu machen, sondern sich daneben zu benehmen. Sollen andere das doch ruhig kindisch nennen.

Himmelsblick

Quelle der Unbekümmertheit. Foto: Georg Magirius

Wenn man sich von dem Anspruch verabschiedet, immer alles richtig zu machen, kann man ganz nebenbei offenbar noch selig werden. Jedenfalls wenn man Jesu Ruf aus dem Matthäusevangelium zum Maßstab nimmt, nach dem selig die sind, „die da geistlich arm sind; denn ihrer ist das Himmelreich.“ Warum also angestrengt zu Boden schauen, um nur ja nicht zu stolpern? Oder bemüht nach vorne gucken, um Vergangenes abzulegen?

Natürlich kann ich mich auch eifrig nach Norden, Süden, Osten, Westen wenden. Aber die schönste Himmelsrichtung ist für mich, nach oben zu schauen. Von dort kommen alle Kinder, Träumer und die Schneeflocken. Es ist der Ort, wo kein Kummer wohnt, sondern das Leichte und die Seligkeit.

Das Reich der Unbekümmerten

Um die Seligkeit zu erfahren, bedarf es keiner Kenntnisse, sagt Jesus. Er selbst hatte kein Abitur, nicht Theologie studiert, war kein Geistlicher. Die alten Propheten aber kannte er, dazu Wein und Witwen. Er war spirituell ungeübt, schleppte keine dicken Bücher mit sich, weil er dafür viel zu gern spazieren ging.

Das Spazierengehen machte er eines Tages zum Beruf, dabei hatte er ein ehrenwertes Handwerk ge­lernt: Zimmermann. Bekannt geworden ist er aber nicht wegen der Stühle, die er gezimmert hat, sondern für jene Monate, in denen er durch die Gegend wanderte.

Mit seiner Mutter geriet er deswegen in heftigen Streit, sie warf ihm  vor, dass er sich nicht familienfreund­lich verhalte. Er ließ sich von reichen Frauen versorgen, kehrte bei Betrügern ein. Und rief das Reich der Unbeküm­merten aus, eine Familie der anderen Art: zu ihr gehören all jene, die kindlich in den Himmel schauen.

Ein Wunsch, den ich viel zu oft überhöre. Vermutlich weil ich dann doch wieder zwischen alle mögliche Experten und Ratgeberstimmen geraten bin. Wie finde ich dann das Un­bekümmerte? Ich schaue auf ein kleines Kind, das so gut wie alles, was es in die Hände bekommt, zu Boden fallen lässt. Kunstvolle Türme aus Bauklötzen wirft es mit Freude um. Wer die Forderung nach spirituellen Spitzenleistungen fallen lässt, kann selig werden.

Von Georg Magirius ist das Buch erschienen „Gute Wünsche aus der Bibel“, Herder Verlag, Freiburg im Breisgau 2016.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 3. August 2016 in der Rubrik Meinungen, erschienen in der Ausgabe .

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Georg Magirius ist Theologe und Schriftsteller und Kolumnist bei "Evangelisches Frankfurt". Mehr unter www.georgmagirius.de.

Kommentare zu diesem Artikel

  • Johanna Helen Schier schrieb am 4. August 2016

    Georg Magirius sagt: „Daneben benehmen“ als Gegenmittel gegen Stress und
    drohenden Burnout. I c h meine: Dies kann nur in einem wohlwollenden Umfeld gelingen und ohne negative Folgen bleiben.

  • Thomas Stephan schrieb am 4. August 2016

    Was für ein Schwachsinn! Und solche naiv-romantischen Schwärmereien machen mich mittlerweile richtig wütend.
    Inhaltlich und „eigentlich“ sehe ich das ähnlich, wie so vieles, wenn man sich mal an Bibel und Jesus orientiert.
    Aber grade im kirchlichen Umfeld ist das Schwachsinn und zynisch. Machen sie das mal ’sich daneben benehmen‘ oder es auch nur EINEM nicht alles Recht machen, besonders als Pfarrer. Grade bei ‚kirchens‘ ist man da im wahrsten Sinne gnadenlos.
    Spätestens bei der nächsten „Befragung“ des KV, wenn es darum geht, ob die Stelle verlängert oder verstetigt wird, bekommt man alles aufs Brot geschmiert. „Vor 2 Jahren, da haben sie das und das nicht gemacht. Da war ich so ‚enttäuscht’…“ „Ach nein, ich kann da jetzt nicht für ihren Verbleib stimmen…“
    Jesus, der Spaziergänger, der viel Menschen berührt hat, würde heute auch vom kirchlichen Establishment, z.B. trad. KV in die Wüste geschickt worden.
    Ist er ja auch – und seine Jünger (Aussendungsrede, Staub von den Füßen und weiter, wenn man euch nicht will…)

    So sieht es leider aus und somche Texte – so richtig sie vielleicht sind – sind nichts als fromme, naive und unrealistische Träumereien (die gegen die knallharte Realität nicht ankommen)
    Sorry

  • Friedrich Peter Niebling schrieb am 15. August 2016

    Hier setzt der Schreiber(Herr Magirius?) das anstrengende zu Boden schauen und das bemühte Nachvorneschauen mit geistlichem Reichtum gleich. Und es zu lassen, mit geistlicherer Armut. Ihn treibt das in uns allen angelegte Grundprinzip der Lebenserhaltung dazu, eifrig –also nicht angestrengt- nach vorne und zusätzlich noch nach oben und in drei weitere Himmelsrichtungen zu schauen. Und vielleicht tut er das, um – wie der Angestrengte- Vergangenes abzulegen. Jene Stressgefahr, die ein Ausbrennen mit sich bringt –und das wissen einige Forscher inzwischen- ist nur gegeben, wenn alle Bemühungen, die Seele nicht nähren. Das heißt, die Triebwerke schalten wegen des falschen Sprits, Namens Anerkennung, ab. Wer kann Liebe empfangen, wenn er dafür bezahlt hat, wenn er zu angestrengt ist. In diesem Sinne kann der Mut bzw. der Zuspruch, sich mal daneben zu benehmen sinnvoll werden. Als therapeutische Übung, also zielgerichtet und kontrolliert, also nicht einfach ins Blaue hinein. Jesus war offensichtlich nicht auf die Anerkennung seiner Mitbürger angewiesen. Wer will, kann darüber spekulieren, ob seine starke Ausrichtung auf die Leere von Richtig und Falsch aus seinem Bedürfnis nach Anerkennung von Gott beruht, oder auf sein Bewusstsein, von Gott geachtet bzw. geliebt zu sein.

  • Johanna Helen Schier schrieb am 22. August 2016

    Wieso eigentlich nicht!? In extremen Stresssituationen
    fordere i c h „meinen Pelz“ zurück. Hohe Leistungserwartungen erkenne ich nicht an, wohl aber suche ich Nischen, in denen es sich locker überleben lässt.
    Freundinnen, Künstler_innen, die mit wenig Geld und kreativem Geschick sich aus den unwegsamsten Lebenssituationen wieder herausbugsieren, haben meinen Respekt. Zuschreibungen wie „Schrott“, „Taugenichtse“, „Liederliche“,
    prallen wie an einem Fels von ihnen ab. Sich selbst brauchen und das „Fell“
    zurückerobern! Oder —- könnte „Kapitulation“ eine vorübergehende Daseinsform sein? Faulheit als rettende kleine Insel für Erschöpfte? Alle Viere
    von sich strecken, das scheinbare Scheitern, die nicht bewältigte Aufgabe
    einfach vergessen und sanft in den Herbst hineinschlafen?