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Aktuell

Von – 27. November 2015

Wer stoppt, kommt früher an

Bei Sprintern spricht man bewundernd vom Blitzstart. Auch bei Autorennen ist eine gute Ausgangsposition gefragt. Und beim Bewerbungsgespräch, an der neuen Arbeitsstelle oder überhaupt beim Kennenlernen seien die ersten Sekunden entscheidend, heißt es. Ich habe das Gegenteil erlebt: Die Langsamkeit setzt Kräfte frei. Mitten in Frankfurt.

Vorfahrt für die Langsamen. Foto: Georg Magirius

Vorfahrt für die Langsamen. Foto: Georg Magirius

Dabei gilt Frankfurt nicht gerade als Hort der Ruhe. Schauplatz ist eine nicht allzu lange Straße in die Innenstadt hinein, die freilich von nicht weniger als fünf Ampeln unterbrochen wird.

Das Knifflige für Fahrradfahrer: Die Ampeln zeigen sich so gut wie nie von ihrer grünen Seite, richten sich nach der Geschwindigkeit für Autofahrer. So gilt es, bereits eingangs der Straße, an der Startampel, eine gute Ausgangsposition zu finden.

Die Nervosität der Schnellen

Wer kraftvoll in die Pedale tritt, passiert die zweite Ampel gerade noch während des letzten grünen Hauchs. Spätestens bei Ampel drei, bereits außer Atem, muss man scharf bremsen, weil die Hoffnung vergebens ist, dank der hohen Geschwindigkeit die Straße in einem Zug hindurchzufahren. So gut wie alle Radfahrer sind genervt. Es wird gedrängelt, denn jeder will eingangs der Straße einen guten Startplatz erwischen.

Einmal aber hatte ich genug, überließ den guten Ausgangsplatz anderen. Der Beginn also war schlecht. Doch weil ich nicht mehr rasch durch die Hindernisstrecke kommen wollte, brauchte ich nicht weiter zu hetzen. Gelassen ging es zu Ampel zwei. Die war längst rot.

Die Ruhe der Genießer

Nach einer Wartepause fuhr ich wieder an, auch die nächste Ampel stoppte mich. Ich betrachtete, bislang hatte ich es noch gar nicht recht bemerkt, die großen alten Bäume, die die Straße beschirmten.

Bei Ampel vier und fünf erreichte ich ganz ungewohnt zwei Mal die grüne Phase. Ich muss wirklich sehr langsam gewesen sein. Noch seltsamer jedoch: Als ich an der großen Kreuzung mit der Abschlussampel eintrudelte, warteten genau die Fahrradfahrer, die mir zu Beginn mit höllischem Tempo davongefahren waren. Und ich? Fing zu pfeifen an – auf die Ideologie des guten Starts und den Zwang, die Straßen des Lebens hindurchzurasen.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 27. November 2015 in der Rubrik Meinungen, erschienen in der Ausgabe .

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Georg Magirius ist Theologe und Schriftsteller und Kolumnist bei "Evangelisches Frankfurt". Mehr unter www.georgmagirius.de.