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Von – 31. Januar 2015

Die Wertschätzungslüge

Die Danksagungskultur ist auf dem Vormarsch. Firmen, Kirchen, Vereine, Schulen, soziale Organisationen überlegen, wie sich ein Klima der Wertschätzung erzeugen lässt. Die Zufriedenheit von Mitarbeitern und Mitgliedern soll steigen. So stellt man Theorien auf, bietet Schulungen an. Ein hoher Aufwand für etwas, das so selbstverständlich ist, dass man es vermutlich gar nicht trainieren kann.

Ein super Trick oder ein wertzuschätzender Mensch? Foto: Georg Magirius

„Super Trick!“ oder ein sog. wertzuschätzender Mensch? Foto: Georg Magirius

Die moderne Art des Dankens klingt so: „Seien Sie gewiss, in unserem Team wird Ihr Wirken und Ihr Engagement von allen gesehen, es gilt uns als wertgeschätzt.“ So redet kein normaler Mensch, aber wenn es ein Leitfaden vorgibt, ist solch bizarres sozio-ökonomisches Kauderwelsch tatsächlich zu hören.

Die Pointe: Es klingt nicht nur ökonomisch, sondern ist auch so gemeint. Man sagt nicht „gut gemacht“ oder „großartig“, sondern verwendet ein Wort, das in der Immobilienbranche geläufig ist. Dort schätzt man den Wert von Gebäuden ein. Und in der modernen Anerkennungskultur schätzt man den Wert eines Menschen ein, den er für die Organisation haben kann.

Wertschöpfung dank Wertschätzung – auf diese Formel hat es einmal Anselm Grün, Mönch und Betriebswirt, in erstaunlicher Offenheit gebracht. Anders gesagt: Wenn wir die Mitarbeiter lieben, klingelt die Kasse – egal ob in Firma, Kloster oder Kirche. In der Kirche dienen eingehende Gelder natürlich einem guten Zweck, etwa der Renovierung heiliger Gebäude oder dem didaktisch neuesten Spielgerät für christlich zu erziehende Kinder.

Das Spendeneintreiben lässt sich in Akademien erlernen. Da heißt es dann: Das Danken ist eine entscheidende Ressource! Rasch soll es erfolgen – ruhig per Telefon, auf keinen Fall aber später als sieben Tage nach Eingang des Geldes. So steigen die Chancen, dass der wertgeschätzte Spender auch künftig Geld fließen lässt.

Unglaubwürdig abgeleierter Lobvorgang

Das Loben ist kalkuliert. Ermutigung erfolgt, wenn sie anderen etwas nützt. Wertschätzung? Das klingt ungeheuer sozial, human, korrekt, modern. Oft wird es aber genau dann eingesetzt, wenn jemand beschwichtigt werden soll. Es ist ein abgeleierter Lobvorgang, der in Wahrheit bedeutet: Gemessen an den hehren Zielen der Institution bist du irrelevant, falls du nicht Mehrwert bringst. Ansonsten werden die Komplimente eingestellt.

Wahre Ermutigung dagegen hört niemals auf. Sie folgt nicht der Sprache der Makler und erfolgt ohne jedes Ziel – außer vielleicht dem, dass das, was in mir leuchten will, auch leuchten darf. Es ist ein Loben, das den Menschen glänzen lässt. Es strengt nicht an, tut auch nicht weh, ist Ernst und Spiel zugleich. Man schaut einen Menschen an, freut sich und sagt: Es ist gut.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 31. Januar 2015 in der Rubrik Meinungen, erschienen in der Ausgabe .

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Georg Magirius ist Theologe und Schriftsteller und Kolumnist bei "Evangelisches Frankfurt". Mehr unter www.georgmagirius.de.

Kommentare zu diesem Artikel

  • Lilo schrieb am 1. Februar 2015

    Wie wahr. Sie beschreiben eine „Freundlichkeitrhetorik“, gegen die man sich kaum wehren kann. Es sei denn man schafft es, diese Art von „Lob“ komplett zu ignorieren und zwar so, dass es vom Lobenden nicht bemerkt wird. Ansonsten läuft man nämlich Gefahr für jemanden gehalten zu werden, der oder die mit positiver Zuwendung nicht umgehen kann, woraus die entsprechenden Schlussfolgerungen gezogen werden. Aber es ist sogar noch komplizierter: Ich empfinde diese angeblich freundliche Begleitung meines Tuns oft als so peinlich, dass es mir für den anderen schon wieder leid tut und ich deswegen ebenfalls etwas freundlicher bin als ich eigentlich sein möchte ….

  • Annegret Rach schrieb am 4. Februar 2015

    Danke für diesen Artikel! Vielleicht ist das Wort „Wertschätzung“ ja auch so in Mode gekommen, weil R. Sprenger das Wort „Lob“ 1991 in seinem Buch „Mythos Motivation“ verbrannt hat:
    „Lob will manipulieren, fremdsteuern, jemand anderen dazu bringen, etwas zu tun, was dem Lobenden nützt.“ Kurz: Lob ist eine Falle.