Hinweis

Diese Website wurde am 28. November 2017 archiviert. Neues Online-Angebot: Evangelische Kirche in Frankfurt.

Aktuell

Von – 27. November 2014

„Das Gefühl: Hier bin ich richtig“

Seit 24 Jahren steht Pfarrerin Esther Gebhardt als Vorstandsvorsitzende an der Spitze des Evangelischen Regionalverbandes Frankfurt. Ende des Jahres übergibt sie das Amt an den neuen Stadtdekan.

Viel frische Luft, ab und zu Urlaub in Italien und interessante Ehrenämter daheim in Frankfurt: So plant Esther Gebhardt ihre Zukunft. Foto: Rolf Oeser

Viel frische Luft, ab und zu Urlaub in Italien und interessante Ehrenämter daheim in Frankfurt: So plant Esther Gebhardt ihre Zukunft. Foto: Rolf Oeser

Wer Esther Gebhardt besucht, betritt eine geschmackvoll eingerichtete großzügige Wohnung in Bockenheim. Man kann nachvollziehen, wenn sie sagt: „Die Wohnung liebe ich sehr. Zwanzig Minuten aus der Innenstadt raus, und Sie haben das Gefühl, Sie sind in einer Oase mit ganz viel Grün ringsherum und mit Ruhe.“ Ausgesucht hat das Ehepaar Gebhardt die Wohnung vor einigen Jahren bewusst und mit Weitblick – sie ist altersgerecht.

Vor 24 Jahren ist Esther Gebhardt zur Vorsitzenden des Vorstandes des Evangelischen Regionalverbandes gewählt worden, mit 36 Jahren. Eine junge Frau an der Spitze der Frankfurter Kirche – das war im Jahr 1990 keine Selbstverständlichkeit. Dem Verband gehörten zu jener Zeit 72 Kirchengemeinden und sieben Dekanate an, heute sind es 60 Gemeinden und nur noch ein Stadtdekanat. Ab 2015 werden Verband und Dekanat von ein und derselben Person geleitet, dem Stadtdekan: Ein langer und mühsamer Prozess von Strukturreformen wird damit umgesetzt.

Viele Bücher im Regal: Esther Gebhardt liest gerne und liebt dabei auch die dicken Schmöker, die lange halten. Foto: Rolf Oeser

Viele Bücher im Regal: Esther Gebhardt liest gerne und liebt dabei auch die dicken Schmöker, die lange halten. Foto: Rolf Oeser

Wenn es nach Gebhardt gegangen wäre, hätte es ruhig noch mehr Straffungen geben können: „Wir sind bei den Gemeindefusionen nicht so furchtbar weit gekommen“, bilanziert sie, „da wäre ich gerne weiter gekommen. Zumal es Stadtregionen gibt, wo es sich wirklich anbietet.“ Aber nicht nur die Kirchenstrukturen beschäftigten die Theologin in ihrer langen Amtszeit. „Als ich damals angefangen habe, war ein großes Thema die Aufnahme von Erkenntnissen der Psychologie in die Seelsorge. Dann kam das Thema Öffentlichkeitsarbeit, das damals relativ neu war: Dass die Kirche sich Gedanken darüber macht, wie sie in den Medien vorkommt, wie sie sich präsentieren muss, war anfangs sehr umstritten. In fast jeder Haushaltsdebatte wurde zum Beispiel die Existenz unserer Mitgliederzeitung „Evangelisches Frankfurt“ heftig diskutiert. Heute ist Öffentlichkeitsarbeit als kirchliches Arbeitsfeld erfreulicherweise akzeptiert.“

Esther Gebhardt führte die Frankfurter Kirche in einer Zeit, in der die Einnahmen nicht mehr so sprudelten wie in den Jahrzehnten zuvor. Es musste gespart werden, und damit musste die Kirche auch als betriebswirtschaftliche Organisation in den Blick genommen werden – ein Realismus, für den Gebhardt sich immer eingesetzt hat, auch gegen Widerstände. „Kirche überhaupt als Organisation zu begreifen, das war damals sehr neu und ist mit Prozessen des Gemeindeaufbaus und der Organisationsentwicklung einhergegangen. Es hat einen Professionalisierungsschub gegeben“, erinnert sie sich.

In den letzten Jahren trat dann zunehmend das Thema einer multiethnischen und multireligiösen Gesellschaft in den Fokus. „Wir müssen akzeptieren, dass das Christentum nicht mehr die Leit-religion ist“, sagt Gebhardt. Das betreffe inzwischen auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kirchlicher Einrichtungen: „Was machen wir mit einer Mitarbeiterschaft, die zunehmend nicht mehr christlich sozialisiert ist? Wie verhalten wir uns gegenüber Menschen aus anderen Religionen, die bei uns mitarbeiten wollen? Was bedeutet es dann, eine kirchliche, eine diakonische Einrichtung zu sein?“

Ihren zwei Katzen lässt Esther Gebhardt jede Freiheit: „Das ist ja das Schöne an Katzen. Man kann sie zu nichts zwingen.“ Foto: Rolf Oeser

Ihren zwei Katzen lässt Esther Gebhardt jede Freiheit: „Das ist ja das Schöne an Katzen. Man kann sie zu nichts zwingen.“ Foto: Rolf Oeser

Themen, deren Diskussion Gebhardt aktiv angestoßen hat, für deren Weiterführung aber in Zukunft andere zuständig sein werden. Nach so langer Tätigkeit im Dominikanerkloster am Börneplatz, wo der Evangelische Regionalverband seinen Sitz hat, kommt durchaus auch ein bisschen Wehmut auf. Ihr wird die Planung von Projekten mit Menschen unterschiedlicher Profession fehlen. Man merkt ihr an, dass sie gerne gestaltet und sich freut, wenn Neues entsteht.

Aber auch wenn es um ihren eigenen Lebensentwurf geht, bleibt die 59-Jährige Analytikerin: „Es ist einfach realistisch, dass wir als Menschen Prozesse immer nur über eine bestimmte Zeit, in einer bestimmten Lebensphase begleiten und gestalten können. Es ist ja schon wunderbar, wenn wir das überhaupt tun können, wenn wir es in Frieden und Wohlstand tun können. Und irgendwann müssen wir das Staffelholz eben weiterreichen an den Nächsten. Das ist auch gut so.“

Formal ist Esther Gebhardt bis 2016 gewählt, aber damit die Umstrukturierungen möglichst rasch greifen können, übernimmt Stadtdekan Achim Knecht den Vorstandsvorsitz bereits ab Januar. Gebhardt wird in nächsten 16 Monaten Sonderaufgaben bei der Hessendiakonie wahrnehmen und geht dann in den Ruhestand.

Was auch eine schöne Sache ist, denn da wird es sicher mehr Zeit für den ein oder anderen Opernbesuch geben oder für die Gartenarbeit. „Es ist eine unglaublich schöne Erfahrung, im Garten zu arbeiten, sich an der frischen Luft zu bewegen. Es tut gut und ist manchmal befriedigender, als den ganzen Tag in Sitzungen zu verbringen. Man sieht wenigstens, was man getan hat.“

Und dann ist da noch die Liebe zu Büchern. Sie können ruhig dick sein. „Ich lese sehr, sehr gerne. Wenn ich in Urlaub fahre, muss ich einen Koffer voller Bücher mitnehmen.“ Von E-Books hält Gebhardt nicht so viel. „Es geht doch nichts über ein richtig schönes Buch, das man in die Hand nehmen kann“, meint sie.

Foto: Rolf Oeser

Foto: Rolf Oeser

Und noch eine andere Liebe beschäftigt die Pfarrerin: Sie lernt Italienisch. „Man soll ja, wenn man älter wird, eine Sprache lernen, um fit zu bleiben. Wir haben einen Feriensitz in Italien, wo wir viel an der frischen Luft sind, um uns herum Olivenbäume. Es ist einfach wunderschön, dort zu sein und eine andere Art von Leben zu genießen. Und man bewegt sich in einem Land seiner Wahl anders, wenn man die Sprache ein wenig spricht.“

Doch trotz vieler privater Interessen will Esther Gebhardt sich auch weiterhin in die Frankfurter Stadtgesellschaft einbringen, ehrenamtlich. „Jetzt werde ich mal die Erfahrung machen, was es heißt, eine Ehrenamtlerin zu sein. Das kenne ich ja bisher nur von der anderen Seite. Wie es ist, als Ehrenamtliche selbst mit Menschen zu arbeiten, die noch im Beruf stehen, das werde ich jetzt mal austesten.“ Man glaubt Gebhardt, dass sie sich auf die Zeit nach Amt und Würden ebenso freut, wie sie zufrieden zurückblickt: „Ich bin dankbar, dass ich diese Zeit und diese Möglichkeiten hatte“, sagt sie. „Ich hatte oft das Gefühl, das ist der Platz, auf den der liebe Gott mich gestellt hat. Ich bin sehr froh, dass ich diese Arbeit machen konnte, und hatte immer das Gefühl: Hier bin ich richtig.“

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 27. November 2014 in der Rubrik Menschen, erschienen in der Ausgabe , .

Artikel teilen: E-Mail Facebook Twitter Google+

Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion von "Evangelisches Frankfurt". Mehr über den Publizisten und Erziehungswissenschaftler ist auf www.eimuth.de zu erfahren.