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Von – 7. Juli 2014

Salafismus: Es geht um Gefühle, nicht um die Lehre

Große Aufregung in Frankfurt: Ein Jugendhaus schließt, weil Salafisten eine Mitarbeiterin bedrohen. Der Träger, die AWO, wusste sich nicht mehr anders zu helfen. Und wer hat schon in einer solchen Situation ein Patentrezept? Wie soll man mit diesem Phänomen umgehen?

Kurt-Helmuth Eimuth ist Leiter der Redaktion von "Evangelisches Frankfurt". Foto: Rolf Oeser

Kurt-Helmuth Eimuth ist Leiter der Redaktion von „Evangelisches Frankfurt“. Foto: Rolf Oeser

Weitgehende Ratlosigkeit allerorten. Aus dem Sozialdezernat hört man, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verstärkt geschult werden sollen. Man möchte die Mitarbeiterschaft informieren und sensibilisieren. Gut so. Der Träger will verstärkt mit Moschee-Gemeinden zusammenarbeiten und einen interreligiösen Dialog organisieren. Ein gewaltiger Schritt für einen säkularen Träger. Anerkennenswert.

Aber es wird immer noch so getan, als sei das Phänomen ein Problem des Islam. Ja, es gibt Fundamentalisten im Islam. Die Salafisten sind eine dieser Gruppen. Allerdings ist nicht jeder Fundamentalist gewaltbereit oder wird sogar Terrorist.

Dass fundamentalistische Gruppen für ihre Weltsicht werben, ist ein Phänomen, das seit den 1970er Jahren bekannt ist. Damals versuchten Organisationen wie etwa die Krishna-Bewegung oder die Scientology-Organisation, die auch als „Jugendreligionen“ bezeichnet wurden, hierzulande Fuß zu fassen. Aufklärung half damals, und hilft sicher auch heute.

Humanistische Religion, autoritäre Religion

Doch kein Jugendlicher sucht eine Ideologie. Es war der Frankfurter Psychologe Erich Fromm, der damals die Unterscheidung zwischen humanistischer und autoritärer Religion vornahm.

Autoritäre Religion sei gekennzeichnet durch die Vorstellung, dass eine höhere Macht Anspruch auf Verehrung und Anbetung, aber auch auf Gehorsam der Menschen habe. Wesentliches Element der autoritären Religion sei die Unterwerfung unter eine jenseitige Macht, die allerdings meisten von einem irdischen Führer direkt ausgeübt werden könne.

Bei der humanistischen Religion hingegen, so Fromm, bestehe das religiöse Erlebnis „in der Empfindung des Einsseins mit dem All, gegründet auf die Beziehung zur Welt.“ Selbstverwirklichung, nicht Unterwerfung, wolle der Mensch in dieser Art von Religion erreichen: „Die vorwiegende Stimmung ist Freude, während sie in autoritären Religionen in Kummer und Schuldgefühl besteht.“

Sozialform ist unabhängig von der Dogmatik

Ob eine konkrete Sozialform von Religion in diesem Sinne autoritär oder humanistisch ist, ist also völlig unabhängig von der Dogmatik, die darin gilt. Autoritäre Religionserscheinungen gibt es in sämtlichen Weltreligionen.

Jugendliche suchen Geborgenheit, Halt, Anerkennung und Sicherheit. Dass der Salafismus unter Jugendlichen Erfolg hat, ist kein theologisches sondern ein soziales Problem. Es geht um Gefühle, nicht um die Lehre. Erst wenn diese Jugendlichen in eine Kultur eingebettet sind, die ihnen Sicherheit gibt, wird sich das Problem wirklich lösen. Schule, Jugendarbeit aber vor allem das Elternhaus sind hier gefragt.

Bis dahin bleibt nur die Aufklärung. Sie ist jedoch ein schwaches Mittel, wenn das Gefühl der Anerkennung fehlt.

Zum Weiterlesen: unser Hintergrundartikel zum Salafismus.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 7. Juli 2014 in der Rubrik Gott & Glauben, erschienen in der Ausgabe , .

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Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion von "Evangelisches Frankfurt". Mehr über den Publizisten und Erziehungswissenschaftler ist auf www.eimuth.de zu erfahren.

Kommentare zu diesem Artikel

  • Friedrich Peter Niebling schrieb am 16. Juli 2014

    Braucht man das „Wort zum Sonntag“?/Salafismus
    Braucht man dieses „man“??????? Wie man lesen kann, braucht man das „Wort zum Sonntag“ nicht, wenn man sonntags oft in die Kirche geht, und man braucht es, wenn es „Substanz hat, zum Nachdenken anregt, gut tut oder ärgert.“ Was man nicht braucht, obgleich man es zu brauchen glaubt, ist –wie die Ergebnisse unseres Lebens, inklusive Salafismus und andere, schon lange vor 1970 geschaffene Fundamente zeigen- das „Gefühl der Anerkennung“, welches sowohl bei den Salafisten als auch in der Mukibude und in Mamas Küche, erworben oder gar erkämpft werden muss. Gelingt das nicht, steht –bei entsprechender Anlage- die Depression an. Gelingt es, steht man leicht in der Nähe eines sogenannten Burnouts. Das Brauchtum der Annerkennung unterstützt eher ein ungesundes Wirtschaftssystem und das Ende –individuell oder kollektiv-, Oder „positiv“ gesagt, die Erlösung aus dem irdischen Dasein. Heilsam ist satt dessen die Achtung bzw. die Achtsamkeit, die im Übrigen auch noch die unheilvolle Verwendung der Liebe überflüssig machen und heilen kann. Solange man aber fragt, was man braucht, was meist eine erwachsen gekleidete aber kindliche Frage nach Falsch oder Richtig beinhaltet, fällt die Achtsamkeit weitgehend hinten runter. Braucht man Schokolade, Kuchen, Kaffe, ein Idealgewicht? Für wen oder zu was? Braucht man alkoholische Getränke, Wurst und Fleisch, wenn´s denn Elend schafft? Was braucht man, um nicht gegen besseres Wissen handeln zu müssen?

    Friedrich Peter Niebling