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Von – 7. August 2012

Lehre aus Occupy: Kirche muss wieder prophetisch werden

Welche Lehren sollte die Kirche aus dem Frankfurter Occupy-Camp und seiner Räumung ziehen? Ein Kommentar von Wolf Gunter Brügmann-Friedeborn.

Wolf Gunter Brügmann-Friedeborn ist Präses des Evangelischen Dekanats Frankfurt-Nord und Mitglied im Vorstand des Evangelischen Regionalverbandes. Hier bei der Kundgebung zur Unterstützung des Occupy-Camps Anfang August. Foto: Rolf Oeser

Das Frankfurter Occupy-Camp am Willy Brandt-Platz ist geräumt. Gott sei Dank verlief alles friedlich, ja fast freundlich.

Dafür, dass die Debatte und auch der Streit mit den Finanzmächtigen über Ethik und Verantwortung für die Gesellschaft weitergeht, müssen auch wir als Kirche uns aktiv engagieren. Dabei sollten wir darauf achten, dass dieser Diskurs nicht einfach in die Salons der bürgerlichen Gesellschaft geholt wird und die, die mit dem Camp das Initial gesetzt haben, als „Schmuddelkinder“ abgehakt und außen vor gelassen werden.

Schattenseiten der Gesellschaft sichtbar gemacht

Und: Wir dürfen jetzt nicht so tun, als sei mit dem Entfernen der entwurzelten obdachlosen und heimatlosen Menschen aus dem Camp – wo und wie leben sie wohl weiter? – für diese keine Aufmerksamkeit mehr erforderlich. Dass sie sich den Occupy-Aktivisten zugesellt und bei ihnen so etwas wie einen familiären und schützenden Zusammenhang erlebt haben, hat nur noch schärfer die Schattenseite einer Gesellschaft sichtbar gemacht, die rein auf Profitvermehrung für wenige zu Lasten der Vielen orientiert ist.

Die evangelische Kirche in Frankfurt leistet mit ihrem weit verzweigten Handeln viel gute sozialdiakonische Arbeit auch für die „Mühseligen und Beladenen“, wie es in der Bibel heißt.

Unhaltbare Zustände müssen angeprangert werden

Aber ich wünsche mir mehr. Ich wünsche mir mehr öffentliche Bekenntnisfreude im Sinne einer prophetischen Kirche. Damit meine ich: Neben der Mitarbeit in Gremien der Stadtgesellschaft wie runden Tischen gegen soziale Not und Römerbergbündnis braucht es auch lautes und scharfes öffentliches Anprangern unhaltbarer Zustände und das Benennen der dafür Verantwortlichen.

Solche Zeichen, wie sie Kirchenleute mit Kirchenpräsident Volker Jung an der Spitze beim JP-Morgan-Lauf „Joggupy – Lauf gegen Zockerei“  und Pröpstin Gabriele Scherle in ihrer Pfingstpredigt auf dem Römerberg gesetzt haben: Davon darf es ruhig noch mehr geben.

Gottesdienste sind nicht genug Öffentlichkeit

Wir sollten uns  zu Herzen nehmen, was uns der Prophet Amos mit auf den Weg gibt, und was auch Jesus an den „Schriftgelehrten“ seiner Zeit kritisierte: Amos betont, so lege ich ihn aus, dass wohlfeiles selbstbezügliches Reden und Singen im Gottesdienst kein wirklicher Gottesdienst ist, wenn davon nicht auch aktive Ausstrahlung in die Öffentlichkeit, aktive Einmischung in gesellschaftliche Verhältnisse ausgeht. Nur so verstehe ich auch unser heutiges Selbstverständnis, dass Verkündigung immer öffentliche Verkündigung sein soll. Gottesdienste für sich sind allein nicht mehr die dafür hinreichenden Öffentlichkeit.

Soziale Moral ist nicht einfach sittlich gegeben. Soziale Moral, soziale Verantwortung und ausgleichende Gerechtigkeit fallen nicht vom Himmel. Dafür muss man kämpfen.

Was sich in einer Gesellschaft als soziale Gerechtigkeit herausbildet, ist stets auch das Ergebnis sozialer Konflikte und Kämpfe und muss auch im Streit der öffentlichen Meinung immer wieder neu hergestellt werden. Ich meine, wir sind noch zu lau und brauchen ein schärferes soziales Bekenntnis unserer Kirche – wo auch immer sich die Gelegenheit dazu bietet.

Mehr zum Thema: Die Kirche unterstützt Occupy – und das ist auch gut so

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 7. August 2012 in der Rubrik Meinungen, Stadtkirche, erschienen in der Ausgabe .

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Wolf Gunter Brügmann-Friedeborn ist Präses des Evangelischen Dekanats Frankfurt-Nord und Mitglied im Vorstand des Evangelischen Regionalverbandes.

Kommentare zu diesem Artikel

  • Christoph Rinneberg schrieb am 9. August 2012

    Sehr gut, sehr richtig ist dieser aktuelle Beitrag zur „Bewältigung der Gegenwart“. Die Amtskirche ist ansonsten viel zu behäbig, bequem und damit zu träge, um prophetisch in dem Sinne etwa Kurt Martis sich bemerkbar zu machen:
    „Das könnte den Herren der Welt ja so passen,
    wenn erst nach dem Tode Gerechtigkeit käme,
    erst dann die Herrschaft der Herren,
    erst dann die Knechtschaft der Knechte
    vergessen wäre für immer“
    und natürlich die zwei weiteren Strophen ebenso.
    Wenn Christen und ihre Kirchen sich wirklich berechtigt christlich nennen dürfen, dann müssen sie doch den EINEN HERRN bekennen, glaubhaft auf dem Wege sein ihm nachzufolgen und allen anderen Herren, v.a. den Götzen wie Mammon, eine Absage erteilen.
    Christoph Rinneberg