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Von – 2. April 2012

Keine Norm für gutes Christsein

In Hessen-Nassau wird zurzeit über eine neue „Lebensordnung“ beraten

Pröpstin Gabriele Scherle stellte den neuen Entwurf für die Lebensordnung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau in Frankfurt vor – hier den Delegierten des Dekanates Süd. Foto: Rolf Oeser

Wer darf wen heiraten und wie? Können auch Personen ein Patenamt übernehmen, die nicht Mitglied in der Kirche sind? Wer wird beerdigt und wer nicht? Wie gestaltet man Gebete gemeinsam mit anderen Religionen? Aus welcher Bibelübersetzung wird im Gottesdienst gelesen? Solche Fragen regelt die kirchliche „Lebensordnung“. Sie wird zurzeit neu geschrieben.

„Ich bin ein absoluter Fan des Entwurfes“, sagt Pröpstin Gabriele Scherle, die das Papier den Frankfurter Dekanaten vorstellte. Die hauptsächliche Neuerung sei, dass keine verbindliche Norm mehr festgelegt wird, wie eine Christin oder ein Christ leben oder woran sie glauben soll. Genau das, nämlich eine „Gemeinde- und Kirchenzucht“ hätten die bisherigen Lebensordnungen vorgeben wollen. Aber „christliches Leben lässt sich nicht von oben verordnen“, ist Scherle überzeugt.

Deshalb soll sich die neue Lebensordnung nicht mehr an die einzelnen Gläubigen richten, sondern an die kirchlichen Entscheidungsgremien, also die Kirchenvorstände und die Pfarrerinnen und Pfarrer. Denn sie sind es, die festlegen, wie das christliche Leben vor Ort aussieht. Die evangelische Kirche ist ja nicht „Top down“, sondern „Bottom up“ organisiert, also von unten nach oben und nicht von oben nach unten. Damit aber dennoch nicht jede Gemeinde eine eigene Praxis entwickelt, gibt die Lebensordnung Richtlinien vor. Die einzelnen Punkte seien dabei im neuen Entwurf nicht mehr einfach mit einer Liste von Bibelzitaten unterfüttert, sondern mit wirklichen theologischen Argumentationen, so Scherle. Sie sollen den Kirchenvorständen helfen, die jeweilige Praxis nach außen zu begründen und zu vertreten.

Zum Beispiel, dass in der evangelischen Kirche auch zwei Männer oder zwei Frauen heiraten können. Wobei: Der Begriff „Trauung“ wird auch in der neuen Lebensordnung nur für Mann-Frau-Ehepaare verwendet, gleichgeschlechtliche Paare werden „gesegnet“. Aber diese Segnungen sind nicht mehr

als „Sondergottesdienste“ aufgeführt, sondern gelten als normal. Die sprachliche Unterscheidung von „Trauung“ und „Segnung“ habe juristische Gründe, erläuterte Scherle, da die hessische Kirche ja auch kompatibel mit den anderen Landeskirchen in Deutschland bleiben will. Außerdem sei in der evangelischen Kirche eine Trauung überhaupt nichts anderes als eine Segnung, „alles andere wäre katholisch.“

Drängend für viele Pfarrerinnen und Pfarrer ist auch die Frage, wie bei Taufen Menschen einbezogen werden können, die Paten sein wollen, aber keiner christlichen Kirche angehören. Manche Gemeinden behelfen sich etwa mit „Taufzeugen“. Hier erlaubt die neue Lebensordnung zwar eine größere Flexibilität, allerdings stellte Scherle klar, dass die Taufe „mehr ist als einfach ein Fest zur Geburt eines Kindes“. Das müsse auch im Gottesdienst deutlich werden. Es gehe bei der Taufe um die Einführung in den Glauben und in die Gemeinde, und deshalb sei es notwendig, dass Patinnen und Paten auch Kirchenmitglieder seien.

Kontrovers diskutiert wird auch noch über die Frage, ob im Gottesdienst wirklich „grundsätzlich“ aus der Lutherübersetzung gelesen werden soll und andere Übersetzungen diese nur „ergänzen“ dürfen, wie es im derzeitigen Entwurf steht. Die Dekanatssynode Frankfurt-Nord hat sich zum Beispiel dafür ausgesprochen, dass die Lutherübersetzung nur „in der Regel“ verwendet werden soll und auch durch andere Bibeln „ersetzt“ werden kann.

Noch können solche Änderungswünsche angebracht werden. Das hessen-nassauische Kirchenparlament will sich mit dem Entwurf im April in zweiter Lesung beschäftigen.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 2. April 2012 in der Rubrik Gott & Glauben, erschienen in der Ausgabe .

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Dr. Antje Schrupp ist geschäftsführende Redakteurin von Evangelisches Frankfurt. Die Journalistin und Politikwissenschaftlerin bloggt auch unter www.antjeschrupp.com.

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