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Von – 25. Februar 2012

Schokolade – das neue Symbol des Christentums?

Trauer und Traurigkeit – das erlebt vermutlich jeder, weil es menschlich ist. Allerdings scheint es die Übereinkunft zu geben, dass man das für sich behalten soll. Eine Krankheit.

Kurioserweise gilt man dann allerdings als stark – vielleicht weil dann niemand Angst zu haben braucht, dass der Trauernde aus der Rolle fällt. In der Firma, am Geburtstag und an Weihnachten bleibt die gute Atmosphäre gewahrt. Und keiner wird daran erinnert, dass man selbst Verlust und Ängste kennt.

Also gilt: Lasst uns zu Kontrolleuren unsrer Traurigkeit und Tränen werden.

Es kann aber auch anders sein: Die Wochen vor Ostern gelten als Passionszeit. Passion heißt ‚Leiden‘ und erinnert daran, dass Jesus Christus, auf den sich die Kirchen berufen, es nicht nur nett im Leben hatte. Das Symbol des Schmerzes machte man öffentlich: Das Kreuz.

Heute heißen die Wochen vor Ostern – auch im evangelischen Rahmen – überwiegend Fastenzeit, es gibt die Aktion 7 Wochen ohne. Man verzichtet auf etwas, das dann als Gewinn erfahren wird. Statt sich auf Schmerz und Wunden zu besinnen, reicht man Impulse. Das können Kalender, Fotos oder Worte sein, die an das Gute im Leben erinnern.

Schokolade – das neue Symbol des Christentums?

So verzichtet man etwa auf Schokolade, weil der Geschmack des Lebens dadurch intensiv hervortrete. Dieses Beispiel wird oft genannt, sodass man fast den Eindruck haben kann: In den Kirchen breitet sich ein neues Symbol aus: Die Schokolade – oder der Verzicht darauf.

Hoffnung für Trauernde: In der Nähe des Kreuzes fühlt man sich nicht isoliert. Foto: Georg Magirirus

Das Leiden wird innerhalb der Kirchen natürlich nicht übergangen, so einfach verhält es sich nicht: Das alte Wort ist etwa Teil der Sodener Passion, über die kürzlich die Internetpräsenz der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau berichtet hat.

Da bricht jemand das Tabu des Trauerns, denkt man. Es geht um Kinder, die gestorben sind. Bei näherer Betrachtung zeigt sich, wie subtil der Bericht das Verdrängen pflegt.

Trauernde sind die besten Experten

Die trauernden Eltern wirken darin exotisch – vielleicht können sie kein Deutsch? Sie tauchen jedenfalls nicht auf. Zu Wort kommt stattdessen ein mutiger Verbindungsmann, ein Pfarrer, der offenbar als eine Art Untergrundkämpfer über Jahre Kontakt mit diesen Eltern aufgenommen hat. So erfährt man Weisheiten wie etwa die: Trauer äußere sich mal so, dann auch wieder so. Außerdem: Quicklebendige Kinder seien ein Geschenk.

Warum kommen die vermeintlichen Exoten nicht  zu Wort? Sie sollen wohl privat und hilflos bleiben. Wir wollen sie nicht stören, denkt man vielleicht. Bei ihrer Trauer brauchen sie jetzt gaaaanz viel Ruhe. Die sollen sie sich jetzt mal gönnen, ohnmächtig, arm und klein wie sie nun mal sind.

Alle jene, um die es eigentlich geht, sollen nicht handeln, schreien, weinen, geschweige denn aufstehen oder gar auferstehen. Lieber spricht ein Experte. Als ob in Sachen Trauer nicht die Trauernden selbst die besten Experten wären. Also potenziell alle, falls man es sich nicht zur Angewohnheit macht, immer nur über die Trauer anderer zu sprechen.

Niemand  muss Verluste öffentlich machen, finde ich. Aber Trauer ist keine Krankheit, die es zu überwinden gilt, es ist normal. Wenn man Traurigkeit und Trauernde isoliert, dann amputiert man immer auch sich selbst. Man entledigt sich nämlich einer der würdevollsten Seiten, die dem Menschen eigen ist: Der Empfindsamkeit für Schmerz.

Von Georg Magirius erschienen: Schmetterlingstango. Leben mit einem totgeborenen Kind, Claudius Verlag München 2013.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 25. Februar 2012 in der Rubrik Meinungen, erschienen in der Ausgabe .

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Georg Magirius ist Theologe und Schriftsteller und Kolumnist bei "Evangelisches Frankfurt". Mehr unter www.georgmagirius.de.

Kommentare zu diesem Artikel

  • Sabine Giesecke-Helweg schrieb am 15. Mai 2012

    Ein ganz einfaches und schlichtes DANKE…..
    von einer Sternenkindermama!!!

    Das sollte Frau Elisabeth Knecht auch mal lesen……

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