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Von – 5. Januar 2012

Museumspfarrer für Abschaffung des „Gotteslästerungs-Paragrafen“

Diskutierten in der Stadtbücherei über Gotteslästerung: Museumspfarrer David Schnell, die Islamwissenschaftlerin Melek Ünal, die Pfarrerin für interreligiösen Dialog, Ilona Klemens, und der Judaist Josef Bamberger. Foto: Doris Stickler

Wer in Deutschland ein gekreuzigtes Schwein auf Leinwand pinselt, Toilettenpapier mit Koranversen bedruckt oder im Karneval die Kruzifixinschrift „INRI“ durch „Tünnes“ ersetzt, lernt den Paragraphen 166 des Strafgesetzbuches kennen: Demnach wird mit Gefängnis bis zu drei Jahren bestraft, wer Religionen „in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören“.

Laut einem UN-Beschluss verstößt das jedoch gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung. „Nationalen, rassistischen oder religiösen Hass“ billigt die UNO deswegen aber noch lange nicht. Im selben Text werden alle Staaten aufgefordert, diskriminierende sowie zu Feindseligkeit oder Gewalt anstiftende Äußerungen zu verbieten.

Wie diffizil und komplex das Thema „Gotteslästerung“ ist, zeigte eine Diskussion in der Reihe „Heilige Texte“ in der Frankfurter Stadtbücherei. Auch wenn frevelhafte Worte oder Darstellungen die Gefühle gläubiger Menschen verletzen können, plädiert der Frankfurter Museumspfarrer David Schnell für die Abschaffung des Paragraphen 166. Eine strafrechtliche Verfolgung mache hier keinen Sinn. Es sei anmaßend, wenn Menschen verbindlich beurteilen wollen, was tolerabel oder zu verdammen sei, so der evangelische Theologe. Gott stehe über jeder gegen ihn gerichteten Unverfrorenheit. Auch die Bibel liefere keine eindeutige Bewertung. Bibelstellen, die sich mit Gotteslästerung beschäftigen, bedeuteten eher Appelle zu ethischem Verhalten.

Das steht laut Josef Bamberger, Judaist von der Uni Mainz, auch im Judentum im Vordergrund. Gotteslästerung sei zwar ein „sehr breites Thema“ und gelte als schlimme Sünde. Im Hebräischen bedeute das entsprechende Wort eher „Entheiligung“ und werde stets in Verbindung mit dem Gegenpol „Heiligung“ gedacht. „Unmoralische Taten werden als Gotteslästerung, moralische Taten als Gottesheiligung“ eingestuft, so Bamberger. Das Verbot von Blasphemie sei in erster Linie die Aufforderung, sich anderen Menschen gegenüber untadelig zu verhalten und auf diese Weise Gott zu heiligen.

Auch aus islamischer Sicht geht es vor allem um die Konsequenzen in irdischen Sphären. Allah könnten Gotteslästerungen nichts anhaben, sonst würde er sie unterbinden, sagte die Politik- und Islamwissenschaftlerin Melek Ünal. Der Knackpunkt bei dem Thema sei die „Verhöhnung der Gläubigen“. Der Koran rate dazu, Lästerern „mit Frieden zu begegnen“ und sie „nicht zu Freunden zu nehmen“.

Man müsse zwischen Religionskritik und Gotteslästerung unterscheiden, betonte Ünal. Kritik als sachliche Auseinandersetzung sei zu begrüßen, denn sie berge die Chance, festgefahrene Sichtweisen zu überdenken. Gezielte Beleidigung, vor allem mit rassistischen Wurzeln, sei aber nicht zu tolerieren. Auch sie sprach sich für die Abschaffung des Paragraphen 166 aus: „Es ist nicht die Sache der Menschen, andere wegen Lästerung zu bestrafen.“ Wenn es zu Anfeindungen komme, sei vielmehr die Zivilgesellschaft gefragt.

In der Reihe „Heilige Texte“ beleuchten in der Frankfurter Stadtbücherei Vertreterinnen und Vertreter aus Christentum, Judentum und Islam umstrittene Begriffe. Bei den nächsten Veranstaltungen geht es um „Weisheit“ (25. Januar), „Humor“ (29. Februar) und „Heilige Schriften“ (28. März). Veranstaltet wird die Reihe von der evangelischen Pfarrstelle für interreligiösen Dialog und der katholische Erwachsenenbildung umstrittene Begriffe. Beginn ist immer um 19.30 Uhr, Hasengasse 4, der Eintritt ist frei.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 5. Januar 2012 in der Rubrik Stadtkirche, erschienen in der Ausgabe .

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