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Aktuell

1. November 2006

Die Kirche braucht Streit

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Da rieben sich manche verwundert die Augen: Ungeschminkt und völlig undiplomatisch benannte die Vorstandsvorsitzende des Evangelischen Regionalverbandes Frankfurt, Pfarrerin Esther Gebhardt, Kritik an der Vorgehensweise der Kirchenleitung bei der Kürzung der Gemeindepädagogenstellen. Wohlgemerkt: Es ging nicht darum, dass gespart werden muss, es ging um das Wie: Hier eine Stadtkirche, die in demokratisch gewählten Gremien Prozesse zur Umsetzung notwendiger Sparbeschlüsse einleitet, und dort eine Kirchenverwaltung, die quasi per Dekret im Amtsblatt verlauten lässt, in welchem Dekanat wie viele Stellen übrig bleiben.

Kommentatoren, die selbst in der Versammlung gar nicht anwesend waren, wussten daraufhin von einer „Brandrede“ und von „schriller Tonlage“ zu berichten. Sollte denn nicht wenigstens in der Kirche Friede und Harmonie herrschen? Jetzt streiten sogar die Pfarrersleut’, lautete der Vorwurf. Und so mancher sehnt sich nach einer katholischen Struktur: Da kann der Bischof mit wenigen Sachverständigen übers Wochenende die Struktur einer ganzen Stadtkirche verändern. Oder es löst sich eine Gemeinde „auf Bitten des Bischofs“ ohne Widerspruch auf. Diskussionen halten sich in Grenzen, gewünschte Effekte können zeitnah ihre Wirkung erzielen. Zugegeben: In Zeiten großer Veränderungserfordernisse ist das eine verführerische Vorstellung.

Doch die evangelische Kirche hat eine andere Philosophie. Sie geht von der Gleichrangigkeit aller Gläubigen aus. Das „Priestertum aller Gläubigen“ meint, dass keiner einfach das Sagen hat. Auf diese Errungenschaft der Reformation waren die Protestantinnen und Protestanten lange stolz. Und so gehört eine offene und ehrliche Streitkultur zum Leitbild evangelischer Kirche.

Natürlich geht es zunächst ganz weltlich ums liebe Geld. Doch im Hintergrund geht es auch um die missionarische Strategie. Soll eine Frankfurter Gemeinde genauso behandelt werden wie eine Gemeinde in einem Dorf im Odenwald? Ist es sinnvoll, eine Stelle zu streichen, obgleich sie überwiegend von der Kommune bezahlt wird? Es wird von der gewählten Vertretung aller Gemeinden, von der Synode, zu entscheiden sein, ob dies wirklich das richtige Konzept ist. Bis dahin darf nicht nur, sondern muss in guter protestantischer Tradition die Vertretung der sechzig Frankfurter Gemeinden ihren Unmut über die Art und Weise des Umgangs und über die Bevormundung von Seiten der Zentrale lautstark artikulieren. Demokratie ist nun mal ohne Streit nicht zu haben – auch in der Kirche nicht.

Kurt-Helmuth Eimuth

Artikelinformationen

Beitrag veröffentlicht am 1. November 2006 in der Rubrik Meinungen, erschienen in der Ausgabe .

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